645615 SE Lektürekurs: Geldgefühle. Auto-/Ethnografische Annäherungen an Armut und Reichtum aus geschlechtertheoretischer Perspektive

Wintersemester 2024/2025 | Stand: 10.06.2024 LV auf Merkliste setzen
645615
SE Lektürekurs: Geldgefühle. Auto-/Ethnografische Annäherungen an Armut und Reichtum aus geschlechtertheoretischer Perspektive
SE 2
5
Block
jährlich
Deutsch

Die Studierenden verstehen die Zusammenhänge zwischen kapitalistischen Gesellschaftsformationen und vergeschlechtlichter Arbeit und können diese erklären. Sie wissen, dass Geld nicht nur als Tauschmittel fungiert sondern auch emotional strukturiert ist und strukturierend wirkt. Sie können ihre eigenen Geldgefühle reflexiv einordnen sowie analytisch interpretieren und als Interviewer*in in der Gesprächssituation entsprechend mitdenken. Sie sind sich der Vorteile ethnographischen Schreibens bewusst, nicht nur als hilfreiche Methode im Umgang mit tabuisierten Forschungsfeldern sondern auch als Strategie engagierter Wissenschaft.

Geld ist Macht, so eine allgemein bekannte Redewendung. Geld bestimmt den gesellschaftlichen Status, es entscheidet über Zugehörigkeit und produziert soziale Ausschlüsse. Es ist identitätsstiftend, formt milieuspezifische Ästhetiken sowie Geschmackspräferenzen. Es basiert auf Vertrauen, gibt Sicherheit, macht eifersüchtig oder auch Sorgen. Es beeinflusst gegenwärtige wie zukünftige Handlungsmöglichkeiten. Es spaltet die Gesellschaft in Arme und Reiche, wobei die Lücke zwischen beiden Polen in westlichen Wohlstandgesellschaften in den letzten Jahrzehnten zunehmend auseinanderdriftet. Dabei ist Geld allgegenwärtig, egal wie viel man davon hat. Über Geld zu sprechen ist jedoch oft tabuisiert, da vor allem diejenigen, die wenig Geld besitzen, im neoliberalen Glauben an die „Leistungsgerechtigkeit“ nicht selten der Selbstverschuldung bezichtigt werden. Gefühle des Scheiterns, der Scham und Schuld oder auch Minderwertigkeitsgefühle sind die Folgen dieser individuellen Verantwortungszuschreibungen. Die Zugänge zu Geld sind aber strukturell bedingt. Die Klassenlage entscheidet darüber, ob und wie viel geerbt wird, das Geschlecht entscheidet über die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und die Höhe der Entlohnung. Frauen verdienen trotz intensiver feministischer Kämpfe noch immer weniger als Männer, sie leisten nach wie vor den Großteil unbezahlter Carearbeit und sind im Alter häufiger von Armut betroffen. 

Das Seminar fragt danach, wie Geld die Welt regiert – um hier eine weitere Redensart ins Spiel zu bringen – und welche Rolle Gefühle hierbei haben. Wie fühlt sich Armut, wie Reichtum an, inwiefern sind diese Gefühlslagen gesellschaftlich strukturiert und wie sind Geldgefühle mit Selbst- und Fremdbildern, mit normativen Geschlechterstereotypen, mit moralischen Gerechtigkeitsvorstellungen oder auch alltäglichen Wirtschafts- und Vorsorgepraxen verschränkt? Nach einer geschlechtertheoretischen Auseinandersetzung mit den Themenkomplexen Arbeit und Soziale Ungleichheit, sollen die Studierenden zunächst anhand autoethnografischer Positionierungen für das tabuisierte Forschungsfeld sensibilisiert werden. Gerade weil das Geld-Thema ein vermintes Gebiet zu sein scheint, bedarf es eines vorsichtigen, selbstreflexiven Herantastens, um während des Forschens keine gesellschaftlichen Stigmata und Mechanismen der Beschämung zu reproduzieren. Die eigenen Geldgefühle kulturanalytisch verortet sollen sich die Studierenden den Seminarinhalten schließlich auf Basis narrativer Interviews und teilnehmender Beobachtung annähern und ihre Ergebnisse zu ethnographischen Portraits verdichten.


Textlektüre, Fallarbeit, Auto-/Ethnographische Analyse

tudentisches Referat, Durchführung narratives Interview, schriftliche Arbeit (autoethnographische Reflexion, ethnographisches Portrait)

Bauhardt, Christine (2019): Feministische Ökonomiekritik: Arbeit, Zeit 
und Geld aus einer materialistischen Geschlechterperspektive. In: B. 
Kortendiek et al. (Hrsg.), Handbuch Interdisziplinäre 
Geschlechterforschung, Geschlecht und Gesellschaft. Verfügbar unter 
https://doi.org/10.1007/978-3-658-12496-0_49

Binder, Beate (2019): (Europäische)Ethnologie: reflexive Ethnografien zu 
Geschlecht und Geschlechterverhältnissen. In: Kortendiek, Beate; 
Riegraf, Birgit; Sabisch, Katja (Hg.): Handbuch für interdisziplinäre 
Geschlechterforschung, Wiesbaden, S. 541-549.

Bourdieu, Pierre (2002): Ein soziologischer Selbstversuch. Frankfurt am 
Main.

Duden, Barbara (2009). Arbeit aus Liebe – Liebe als Arbeit. Ein 
Rückblick. Olympe. Feministische Arbeitshefte zur Politik (30), 16-26.

Kaiser, Mareice (2022): Wie viel. Was wir mit Geld machen und was Geld 
mit uns macht. Hamburg.

Meyer, Silke (2014): Einleitung: Money Matters. Umgang mit Geld als 
soziale und kulturelle Praxis. In: dies. (Hg.): bricolage 7. Innsbruck, 
S. 7-36.

Ploder, Andrea; Stadlbauer, Johanna (2013): Zur Relevanz 
wissenschaftlicher Selbsterzählung für die 
volkskundlich-kulturanthropologische Forschungspraxis. In: 
Österreichische Zeitschrift für Volkskunde, 116 (2013) 3-4. S. 373-404.

Rau, Alexandra (im Erscheinen): Das Affektregime weiblicher Altersarmut. 
Zur subjektiven Verarbeitung von Prekarität.

Die restliche Literatur wird in der Lehrveranstaltung bekannt gegeben.

siehe Termine
Gruppe 0
Datum Uhrzeit Ort
Do 03.10.2024
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Do 10.10.2024
12.00 - 15.15 52U109 SR 52U109 SR Barrierefrei Induktionsschleifen für Gehöreingeschränkte
Do 24.10.2024
12.00 - 15.15 52U109 SR 52U109 SR Barrierefrei Induktionsschleifen für Gehöreingeschränkte
Do 07.11.2024
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Do 21.11.2024
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Do 05.12.2024
12.00 - 15.15 52U109 SR 52U109 SR Barrierefrei Induktionsschleifen für Gehöreingeschränkte
Do 09.01.2025
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Do 23.01.2025
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